Vorbemerkung:
Nach mehrfachem Vorschlag, der von einigen meiner Leser an mich
herangetragen wurde, habe ich mich entschlossen einen neuen Menü-Punkt auf dem
Bergfuchs-Blog zu installieren. Die „Geschichte Vorarlbergs“ soll von nun an
ebenfalls ein Teil der hier behandelten Themen darstellen. Ich hoffe Euch auch
auf diesem Gebiet wertvolle Informationen geben zu können und dabei den
Unterhaltungswert nicht zu vernachlässigen. In diesem Sinne wünsche ich Euch
allen viel Vergnügen bei der kommenden Lektüre.
1805
war ein Schicksalsjahr für Österreich. Nachdem bereits seit mehr als einem
Jahrzehnt ein kriegerischer Konflikt mit Frankreich herrschte, der immer wieder
durch einzelne Friedensschlüsse unterbrochen wurde, kam es in der zweiten
Jahreshälfte 1805 zum erneuten Ausbruch der Kampfhandlungen. Der Verbündete
England besiegte bei Trafalgar die vereinte französisch-spanische Flotte
vernichtend – Österreich und seine Verbündeten, vor allem Russland, erging es
dagegen weniger gut. General Mack wurde im Oktober bei Ulm verheerend
geschlagen und am 2. Dezember folgte die schicksalshafte „Dreikaiserschlacht“
bei Austerlitz, aus der Napoleon als fulminanter Sieger hervorging. Es folgte
der am 26. Dezember geschlossene Friede von Pressburg, in dem Österreich seine
italienischen Gebiete und die westlichen Territorien verlor. Darunter befand
sich auch das Land Vorarlberg (zusammen mit Tirol und einigen weiteren
süddeutschen Gebieten), das an den Verbündeten Napoleons, Bayern, abgetreten
werden musste.
Anfängliche
Aufnahme bei der Bevölkerung
Das
gerade erst am 1. Jänner 1806 zum Königreich proklamierte Bayern, erhielt auch
sogleich im Jänner die Gebiete des heutigen Vorarlbergs (die offizielle
Übergabe erfolgte am 13. März im Gasthof „Zum Goldenen Löwen“ in Bregenz) und
verleibte diese seinem Staatsgebiet ein, das durch die vorteilhafte
Bündnispolitik mit Napoleon beträchtlich angewachsen war. Neben Altbayern
umfasste das Land nun viele „neubairische“ Gebiete, so dass der bayrische König
Maximilian I. Joseph über ein Reich herrschen konnte, das vom Main bis zum
Gardasee und vom Bodensee bis nach Passau reichte. Der Habsburger-Kaiser Franz
I. hatte seinen Vorarlberger Untertanen für die jahrhundertelange Treue zu seiner
Dynastie gedankt und sie aufgefordert nun brave Untertanen des bayrischen König
zu sein.
Die
Vorarlberger Bevölkerung trauerte Österreich und dem Kaiser nach, verhielt sich
dem Bayernkönig gegenüber aber nicht ablehnend, sondern war vorsichtig gespannt
auf das Neue, das nun kommen sollte. Hoffnung herrschte anfangs vor allem
deshalb weil es Zusicherungen gab die alte ständische Verfassung und diverse
Rechte, die die Bevölkerung unter dem Haus Habsburg genossen hatte, nicht
anzutasten.
Was
waren die Gründe für den Aufstand der Vorarlberger Bevölkerung?
Bayern
war im Verhältnis zu den österreichischen Ländern sehr fortschrittlich gesinnt
und verfügte bereits über einen reformierten und gut funktionierenden modernen
Staatsapparat, ganz im Zeichen des aufgeklärten Absolutismus’. Vorarlberg
verloren nun seine Eigenständigkeit und wurde Schwaben eingegliedert – in einer
späteren Reform wurde es dem „Illerkreis“, mit der Hauptstadt Kempten,
zugeschlagen. Damit gingen auch sämtliche alten Vorrechte verloren und es galt
in Vorarlberg, wie überall sonst in Bayern, nur das bayrische Recht (bei Tirol
machte man anfangs noch Ausnahmen). Damit war es aber noch nicht getan, denn
Neuerungen aller Art überschwemmten die Bevölkerung immer mehr, so dass die
meisten zunehmend das Gefühl hatten all ihre Traditionen würden durch das
rasante Reformtempo zermalt werden. Die Reformen reichten von der Verwaltung,
über das Sanitärwesen, die Einführung von Katastern bis zum Gefängniswesen.
Kaum ein Lebensbereich blieb ausgeklammert und kaum eine Bevölkerungsgruppe war
nicht davon betroffen. Aufklärerische Neuerungen waren schon in der
Vergangenheit auf Widerstand in Vorarlberg gestoßen. So hatten bereits Reformen
von Maria Theresia in Feldkirch 1768 Unruhen ausgelöst und die Ideen des
„Aufklärerkaisers“ Joseph II. wurden größtenteils ebenso vehement abgelehnt. Doch
was sich nun durch Bayern zutrug, stellte alles andere in den Schatten.
Ein
weitere Punkt, der für Unruhe in der Bevölkerung sorgte, was das schlechte
Händchen, das man bei der Besetzung von Amtsposten hatte. Die meisten Beamten
kamen nicht aus Vorarlberg, sondern aus Altbayern. Man umging damit die
einheimische Bevölkerung größtenteils, was jedoch nicht aus Bösartigkeit
geschah, sondern vielmehr einem bürokratischen Apparat entsprach, der auf
„Befindlichkeiten“ wenig Wert legte.
Vorarlberg
war damals ein sehr von der katholischen Religion geprägtes Land, darüber
hinaus war die Religion auch mit unglaublichem Aberglauben durchsetzt, dem die
bayrischen Behörden mit ihrem auf Ratio basierendem Ethos, Einhalt gebieten
wollten. Das führte, wie man sich leicht denken kann, schnell zu heftigen
Spannungen. So wurden Prozessionen und viele Messe (sogar die Christmette) verboten,
kirchliche Feiertage abgeschafft, Kirchen und Kapellen geschlossen, unliebsame
Priester entfernt und dergleichen. Der Staat trachtete danach die Priester zu
Staatsdienern zu machen, um so auch Kontrolle über das zu erlangen, was von den
Kanzeln gepredigt wurde.
Wirtschaftlich
war der Anschluss an Bayern eine Katastrophe. Bereits vor 1810 waren etwa ein
Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung in der Textilindustrie beschäftigt.
Dieser Industriezweig verlor nun seine traditionellen Absatzmärkte in
Österreich und Italien. Durch die Kontinentalsperre Napoleons war zudem Rohbaumwolle
fast unerschwinglich geworden. Es kam zu dramatischen Einbrüchen, die Löhne
fielen auf einen Bruchteil und viele Unternehmen mussten ihren Bankrott
erklären.
Die
Steuerlast, die unter dem Haus Habsburg recht gering gewesen war, stieg enorm
an, so dass es zu Zwangsversteigerungen vieler Bauernhäuser kaum. Aber auch
sonst hatte die Bevölkerung unter dem enormen Kapitalbedarf Bayerns (nicht
zuletzt durch die Kriegs- und Beistandspflicht gegenüber Napoleon) zu kämpfen.
Einer
der Hauptgründe jedoch warum die Bayernherrschaft immer mehr verhasst wurde,
waren die ständigen Rekrutierungen von Soldaten, die Bayern Napoleon stellen
musste. Dabei traf es Vorarlberg besonders hart. Anfangs versuchte der
bayrische König noch Freiwillige für den Kriegsdienst zu gewinnen, als deren
Zahl jedoch zu gering bliebt, führte man die Wehrpflicht ein. Viele entzogen
sich daraufhin durch Flucht (vor allem in die Schweiz) dem Militärdienst. Die
Konskription war bei der Bevölkerung auch deshalb so unbeliebt, weil die jungen
Männer dadurch als Arbeitskräfte ausfielen – vor allem aus ländlichen Gebieten
gingen viele auf Fremdarbeit und brachte schönes Geld mit in die Heimat –
etwas, das nun fast völlig ausblieb. Zudem mussten die Vorarlberger die Kosten
für die Wehrdienstverweigerer bezahlen. 1807 kam es im Zuge von Rekrutierungen
im Bregenzerwald zum Widerstand der Bevölkerung. Diesbezüglich ist der
„Krumbacher Weiberaufstand“ ist weitum ein Begriff (nicht zu verwechseln mit
dem „Weiberaufstand“ in Egg-Großdorf im 30jährigen Krieg gegen die Schweden!).
1809
Über
die Jahre hinweg hatte sich ein Ungemach an das andere gereiht und hatte
letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Im Frühling 1809 brachen in Tirol
Aufstände, vor allem unter der Leitung des Sandwirts Andreas Hofer, aus. Durch
die erstaunlichen Erfolge der Tiroler Bauern gegen die Bayernbesatzung
angestachelt, schlossen sich immer mehr Einheimische dem Freiheitskampf an.
Nach der erfolgreichen Schlacht am Bergisel und der Widerinbesitznahme des Landes
durch österreichische Truppen, schlug der Aufstand auch üben der Arlberg nach
Vorarlberg über. Bekannte Landeshelden wie Anton Schneider, Bernhard Riedmiller
oder Sigmund Nachbauer taten sich nun besonders hervor und errangen schöne Erfolge.
Am Ende nützte es jedoch alles nichts und Vorarlberg blieb bei Bayern. Der
Kaiser in Wien musste die Gebiete im Frieden schon Schönbrunn erneut abtreten.
Erst nach dem Wiener Kongress (1814/15) kam Vorarlberg wieder zu Österreich und
ist bis heute dabei geblieben.
Schlussfolgerung
Die
Voraussetzungen für eine bayrische Herrschaft waren anfangs nicht schlecht
gewesen. Die Bevölkerung verhielt sich abwartend und war gespannt auf das, was
nun aus „München“ kommen würde. Durch ungeschickte Amtbesetzungen und vor allem
durch ein fehlendes „Fingerspitzengefühl“ bei der Umsetzung von Reformen,
verscherzten es sich die Bayern mit der lokalen Bevölkerung. Man kann daraus
ersehen, dass man nie den Konservatismus der Bevölkerung (einer jeden
Bevölkerung!) unterschätzen darf und dass Neuerungen in verträglichen „Dosen“
eingeführt werden müssen. Kommt man mit der „Dampfwalze“ daher und versucht mit
bloßen Zwangsmitteln alles neu zu machen, darf man sich über den Widerstand,
der einem entgegen schlägt, nicht wundern. Politisch opportuner ist es dagegen viel
von Reformen zu sprechen, in der Praxis aber weitaus weniger, zumindest sofort,
sondern erst allmählich durchzuführen. So stellt sich ein Gewöhnungseffekt ein
und der „Bruch“ mit dem Alten wird nicht mehr so schmerzhaft, zumindest nicht
als unerträglich empfunden. Neues erzeugt fast zwangsläufig anfangs Ablehnung,
das liegt einfach in der menschlichen Natur – dabei geht es nicht einmal darum,
ob die Neuerungen eine Lebensverbesserung bringen oder nicht. An Neues muss man
sich eben erst einmal gewöhnen und das ist meist unangenehm – das Alte kennt
man, selbst dann wenn man darunter zu leiden hat und es wird deshalb oft
vorgezogen. Leid, das man kennt, schreckt einen bekanntlich weniger, als neues,
das man noch nicht einschätzen kann. Man darf niemals den „Volksgeist“
unberücksichtigt lassen, sollte immer ein gutes Verhältnis zu den Leuten auf
der „Straße“ pflegen und es vermeiden Härte zu zeigen, wo diese unangemessen
ist. Es hat noch keine Bevölkerung gut geheißen, wenn bürokratische
Vorschriften, Ideologien und Weltanschauungen über das „menschliche“ Element
gestellt wurden.
Alles Gute wünscht Euch der Bergfuchs.
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